Das in Hannover lebende Künstlerpaar Lotte Lindner & Till Steinbrenner ist mit seinen temporären Eingriffen zwischen Performance und Installation verortet. Sie thematisieren dabei den jeweiligen Ausstellungsort, verändern den Raum aber nicht nur ästhetisch, sondern erweitern seine Grenzen. So beziehen die Eingriffe die sie vornehmen den Besucher oft aktiv mit ein. Dies deutet nicht zuletzt auf einen Werkbegriff hin, der das Werk nicht als abgeschlossene Einheit versteht. Vielmehr sind ihre Arbeiten prozesshaft angelegt. Es beinhaltet aber auch ein Wechselverhältnis von Macht und Machtverzicht. Wenn sie etwa über Anweisungen den Besucher beeinflussen eine bestimmte Handlung auszuführen, treten sie als gestaltende Künstler in Erscheinung und geben gleichzeitig einen Teil der Kontrolle ab. Mit diesem Einlassen auf das Element des Zufalls sind viele der Arbeiten von Lotte Lindner & Till Steinbrenner verknüpft.
Im Raum für Freunde wird jetzt eine Serie weitergeführt, welche Anfang des Jahres in einer Ausstellung in Ecuadors Hauptstadt Quito begonnen wurde, die durch eine Handlungsanweisung für die Besucher auf einer Karte dokumentiert ist. Die dort durchgeführte Aktion hieß: Alternative Gesellschaftsformen – Übung I: Weltherrschaft. Einige dort ansässige Personen wurden aufgefordert folgenden Satz in ihrer Landessprache auf eine Leinwand zu schreiben: „Ich strebe die Weltherrschaft an.“
Im Raum für Freunde folgt jetzt mit der Übung II der Widerstand. Dieser ist zwischen der stillen Verweigerungshaltung von Herman Melvilles Romanfigur Bartleby und einem stimmgewaltigen Protest verortet, den die Künstler im Rahmen einer Performance in New York inszeniert haben. Doch die dokumentierten Protestlerinnen formulieren keine eindeutig erkennbare Forderung, was bleibt ist ein Gewirr aus individuellem Ausdruck des Protests als Selbstzweck. Als eindeutigster räumlicher Eingriff wurde eine der Wände des Raums für Freunde mit einer Make-up-Schicht versehen. Was auf menschlicher Haut oft künstlich wirkt und die Gesichtszüge zur Maske erstarren lassen kann belebt hier die tote Materie und macht sie verletztlich.
Doch wie sind die einzelnen Elemente miteinander in Zusammenhang zu setzten? Die Installation selbst bleibt widerständig. Fragmentarisch verteilt und nur lose kontextualisiert verweigert sie sich einer eindeutigen Lesbarkeit. Der Ausgang der Übung bleibt offen. Der Besucher wird zur Eigenverantwortlichkeit ermächtigt. Er kann entscheiden was er hierin sieht. Oder er verlässt den Raum und verweigert sich vollständig, ganz im Sinne der Bartlebyschen Formel: „Ich möchte lieber nicht.“