Die Betrachtung aus einem Abstand kann die Beziehungen zu anderen stärken und neu bestimmen. Der distanzierte Blick bedeutet aber auch ein höheres Maß von Reflexion und Objektivität. Er schafft einen Überblick. Nicht direkt in Angelegenheiten involviert zu sein, kann ein Mehr an unabhängiger Betrachtung bedeuten. Der Ausdruck, einen Abstand zu etwas gewinnen, bedeutet, eine Position einzunehmen, in der man Sachverhalte klarer sehen und Vorgänge genauer betrachten kann. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass die Distanz neben offensichtlich negativen auch ihre positiven Seiten hat und Beziehungen neu determiniert. Durch die praktizierten Schutzmaßnahmen hat der Abstand einen sozialen Charakter gewonnen und damit eine neue Relevanz erlangt.
Die Betrachtung von Abstandsverhältnissen und Trennungen kann auch ein Thema der künstlerischen Praxis sein. Auch schon vor der Pandemie-Krise beschäftigten sich Künstler*innen mit Strategien der Distanzierung und der entfernten Sicht. Sie reflektierten die Auswirkungen von Entfernungen und die Machtverhältnisse, die sie erzeugen.
Der US-amerikanische Künstler Dan Graham stellte mit Hilfe von Zeichnungen, Skulpturen und Installationen räumliche Situationen her, die die Relation von Sehen und Gesehen werden und damit den Machtanspruch moderner Architekturen veranschaulichen. Dennis Graef und Meike Redeker sind Künstler*innen der Region, die sich mit Grenzen und Grenzüberschreitungen beschäftigt haben und wir bitten möchten, speziell zu dieser Thematik eine Arbeit für „Lob der Distanz“ zu produzieren. Wenn man die Hochsitze von Ilka Meyers Installation „Gegenüber“ in den Innenraum verlegt, bietet dies eine ungewohnte, „abgehobene“ Sicht auf die Ausstellungs-exponate. Der Betrachter gewinnt mit dem Blick von oben eine besondere Form der Übersicht. In Corinna Schnitts Video „Vollendete Vernunft“ rufen sich Personen aus weiter Entfernung mit Hilfe von Megaphonen alltägliche Sätze zu – für die Künstlerin eine Metapher auf die oft banale Kommunikation in den Social Media.