Öffnungszeiten

Mi–Fr 10–17
Sa 13–18h
So u. Feiertags 11–18h


Eintritt frei!

Schaufensterausstellung auf dem Piazza Italia
Vernissage

JeanUlrick Désert

18/09–14/11/2004

Kuratiert von Justin Hoffmann

Diese Ausstellung im Kunstverein Wolfsburg ist beides: einerseits eine Retrospektive von Werken JeanUlrick Déserts der letzten fünf Jahre, andererseits zeigt sie ganz neue, ortspezifische Arbeiten des in Haiti geborenen, US-amerikanischen Künstlers. Es ist seine erste große Einzelausstellung in Deutschland.

Das Phänomen der Globalisierung kann auf zwei gänzlich verschiedene Arten interpretiert werden, als ein Prozess der Integration, in der sich ethnische und nationale Differenzen allmählich auflösen, oder als ein Vorgang, der Konflikte schürt und zu kulturellen Auseinandersetzungen führen wird. Beide Betrachtungsweisen spielen für die Arbeit von JeanUlrick Désert eine zentrale Rolle. Einerseits weist er auf vorhandene Probleme der Cultural Clashs hin und führt sie uns in künstlerischen Arbeiten wie „Negerhosen 2000“ pointiert vor Augen, andererseits verknüpft er Objekte aus verschiedenen Kulturkreisen und stellt zwischen ihnen unerwartete Zusammenhänge her. Désert zieht in seiner vielseitigen künstlerischen Praxis – in großformatigen Foto-Tableaux genauso wie in Videoinstallationen und Objektarbeiten – verblüffende Verbindungslinien zwischen dem Kultur-Mix der Karibik und der Hoch- und Volkskultur des Westens.

JeanUlrick Désert ist sowohl Akteur als auch Beobachter der globalen Kultur. Aus seinem Heimatland Haiti migrierte er nach New York, dem Zentrum der amerikanischen Art World, und zog weiter nach Paris und Berlin. Desert war sich stets der hybriden Situation, in der er lebte und wo sich verschiedene Ethnien und Sprachen stets überschnitten, bewusst. Das Nomadisieren zwischen Ländern und Kontinenten muss aber nicht unbedingt als Manko betrachtet werden, solange dies freiwillig geschieht. Für viele Kulturtheoretiker verkörpert der Migrant sogar par excellence die Werte und Praxis des Kosmopoliten, seine Weltoffenheit und sein vielfältiges, kulturelles Wissen. Für eine Serie von Bierdeckeln innerhalb seiner Werkgruppe „Negerhosen 2000“ verwendet Désert explizit den Begriff des Kosmopoliten. Im gewissen Sinn repräsentiert dieser Künstler tatsächlich jenes moderne, gebildete, multikulturelle, postkoloniale, zukunftsorientierte Subjekt, das mehr den aktuellen ökonomischen und kulturellen Bedingungen entspricht, als Menschen, die in ihren Grenzen verharren und auf ihre kulturelle Vergangenheit pochen. Für die Ausstellung in Wolfsburg entsteht in Kooperation mit der Privatbrauerei Wittingen eine neue Serie von Bierdeckeln mit einem Zitat von Walter Benjamin.

In Fragen der kulturellen Identität spielt die Beschäftigung mit Geschichte, der Bezug auf die Vergangenheit, stets eine zentrale Rolle. Dieser Zusammenhang bildet den Ausgangspunkt des speziell für Wolfsburg konzipierten „Erinnerungsprojekt“, für das Désert Orte bzw. Architekturen auswählte, an denen die jüngere Geschichte in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur gut ablesbar ist (historische Vorgänge prägnant zu formulieren gelang ihm bereits in den Arbeiten „Suicidal Mediations Of My Own Death“ und „Surrender: La Main. Un Projet pour la Belgique“). Der Palast der Republik, das Kraftwerk von VW und das World Trade Center stellten für ihn dementsprechend Monumente der Zeitgeschichte dar. Die Erinnerungen, die mit diesen Gebäuden verbunden werden, sind noch in der Gegenwart relevant, weil sie die Identität der Menschen, die an diesen Orten lebten bzw. arbeiteten, mitkonstituierten. JeanUlrick Désert verbindet Aufnahmen dieser Orte mit Texten von Personen, die sich an das Leben in diesen Gebäuden erinnern, und die der Künstler origineller Weise in Form von Inschriften auf Lebkuchenherzen veröffentlicht. Er nutzt diese in unserer Region verbreitete populare Praxis, die er bereits für „Voices from the Heart: Lebkuchen Project“(2002/3) verwendete, als Methode, affektive Äußerungen sichtbar zu machen, in einer scheinbar gegenläufigen Weise. Denn hier handelt es sich nicht um stereotype Sprüche, die sich Besucher von Volksfesten aneignen können, sondern um höchst individuelle Aussagen einzelner Personen.