Der Kunstverein Wolfsburg feiert Ende 2009 sein 50-jähriges Jubiläum. Neben einer außergewöhnlichen künstlerischen Aktion im öffentlichen Raum von Wolfsburg und einer großen Geburtstagsfeier zeigt der Kunstverein anlässlich dieses Datums eine Ausstellung, die Höhepunkte der Ausstellungsgeschichte dieser ältesten Kunstinstitution der jungen Stadt Wolfsburg zusammenfasst.
Für Best of 50 Years wurde pro Jahrzehnt der Vereinsgeschichte eine künstlerische Position ausgewählt, die die besondere Bedeutung dieser Kunstinstitution und ihre oftmals kluge Voraussicht unterstreicht. Denn wie es zu den Eigenschaften eines guten Kunstvereins an sich gehört, werden an diesem Ort in der Regel junge, noch wenig bekannte Künstler präsentiert, die sich jedoch in den kommenden Jahren in der Kunstszene durchsetzen und etablieren. Dabei sind es im Fall des Kunstverein Wolfsburg weniger die Einzelausstellungen als die Gruppenausstellungen, die sich als wegweisend erwiesen und eine Brücke zur jüngsten Ausstellungspraxis schlagen. Wichtige thematische Gruppenausstellungen sind hier ein Merkmal für die Kontinuität einer inhaltlich orientierten, nach kunsthistorischen Orientierungen suchenden Ausstellungspolitik. Die Künstler von Best of 50s werden Werke aus dem jeweiligen Jahrzehnten mit ganz neuen Arbeiten kombinieren. Somit hat die Ausstellung Best of 50s einerseits historischen Charakter, ist andererseits aber eine Präsentation aktueller Kunst.
1960er Jahre: Gerhard Richter
1970er Jahre: Timm Ulrichs
1980er Jahre: Jirí Georg Dokoupil
1990er Jahre: Candida Höfer
2000er Jahre: Chicks On Speed
„Vielzahl von Begabungen bei Düsseldorfer Künstlern“ lautete in der lokalen Tageszeitung die Überschrift von der Besprechung der Gruppenausstellung „junge Düsseldorfer Maler und Bildhauer“ im Oktober 1966. Zu diesen „Begabungen“ gehörte niemand geringer als Gerhard Richter. Auch Günter Uecker, Sigmar Polke, Konrad Lueg und der 21-jährige Jörg Immendorf zählten zu diesen Talenten. Diese Ausstellung des Kunstverein Wolfsburg, die in der Stadthalle und noch nicht im Schloss Wolfsburg stattfand, schlug hohe Wellen. Dr. Karl Ruhrberg, der Direktor der Kunsthalle Düsseldorf, sagte in seiner Eröffnungsrede, eigentlich habe diese Ausstellung in Düsseldorf selbst eröffnet werden müssen, aber dort seien die jungen Künstler noch nicht genügend ins Bewusstsein der Leute eingedrungen. Wolfsburg wurde hier als die modernere, dynamischere Stadt und damit für die Avantgardekunst aufgeschlossener gesehen. Gerhard Richters frühes Gemälde „Bomber“ (1963) gehört zu den wichtigsten Werken der Sammlung der Städtische Galerie im Schloss Wolfsburg.
Den langjährigen Leiter des Kunstverein Wolfsburg und der daraus entstandenen Städtischen Galerie Klaus Hoffmann verband eine enge Freundschaft mit dem Konzeptkünstler Timm Ulrichs. Unter dem Begriff der Total Art produziert dieser Werke in den unterschiedlichsten Ausdrucksformen. Sie reflektieren die Herstellung und Wertung von Kunst – oftmals mittels seiner eigenen Person. Klaus Hoffmann stellte ihn oftmals in Ausstellungen des Kunstverein Wolfsburg Anfang der 70er Jahre aus. In der Präsentation „Graphischer Realismus der Gegenwart“ (1973) durften seine Werke genauso wenig fehlen wie in „Kunst – Querschnitt – Kunst“ (1974) oder „Kunst aus Wolfsburger Privatbesitz“ (1975). Hervorzuheben ist seine Beteiligung mit 19 Exponaten an „Ausstellungs-Versuch von Heute für Morgen“ (1973), mit der Klaus Hoffmann ganz im Sinn der Institutional Critique konzeptionell-reflektierend eine Ausstellung über gegenwärtige und zukünftige Möglichkeiten der Ausstellungspraxis entwarf. Timm Ulrichs „Bild-Keilrahmen-Skulptur“ (1967/70) hängt als Außenskulptur im Eingangsbereich von Schloss Wolfsburg.
Selbst für zahlreiche Wolfsburger Kunstliebhaber war die Ausstellung der Kölner Gruppe neuer wilder Maler, „Mülheimer Freiheit“, im Jahr 1982 im Kunstverein Wolfsburg eine Provokation. Mit ihrem spontanen, frechen und humorvollen Malstil schockierten sie die Mehrheit des unvorbereiteten Publikums. Gemeinschaftlich nahmen sich die Künstler eine große Wand im Kunstvereinssaal vor und malten direkt darauf ein großes Gemeinschaftsbild mit vielen Wolfsburg-Referenzen. Unter dem Verputz befindet sich dieses bis heute. Skizzen, die sie schnell auf der Hinfahrt hergestellt hatten, übertrugen sie vor Ort auf große Tafeln. Einer der Hauptakteure war damals Georg Jirí Dokoupil. Dessen große Retrospektive „Malerei im 21. Jahrhundert – Werkschau 1981–2005“ war 2005 in den Deichtorhallen in Hamburg und anschließend in der Nationalgalerie in Prag zu sehen.
Candida Höfer gehört zu den prominentesten Vertretern der so genannten Becher-Schule, deren Vertreter (Ruff, Struth, Gursky etc.) in den 90er Jahren international gefeiert wurden und heute in zahlreichen Sammlungen vertreten sind. Besonders durch ihre Fotografien architektonischer Situationen wurde Candida Höfer berühmt. Einer der Höhepunkte ihrer Karriere war die Präsentation ihrer Werke im Deutschen Pavillon der Biennale di Venezia 2003. Fünf Jahre zuvor präsentierte sie der Kunstverein Wolfsburg in einer großen Einzelausstellung, die danach in die Kunstvereine Recklinghausen und Oldenburg wanderte. In diesem Zusammenhang entstanden Aufnahmen im Theater Wolfsburg, im VW Werk und im Alvar Aalto-Kulturhaus. Im Verlag „Schirmer/Mosel“ erschien unter dem Titel „Candida Höfer. Photographie“ der dazu gehörige Katalog.
Die Gruppe Chicks On Speed [= COS], anfänglich bestehend aus Melissa Logan, Alex Murray-Leslie und Kiki Moorse, entstand Mitte der 90er Jahre im Umfeld der Akademie der Bildenden Künste in München. Auch wenn sich die Gruppe stets dem gängigen Werkbegriff widersetzte und in erster Linie Shows, Performances und Multiples produzierte, gab es daneben einen vielseitigen visuellen Output (Cover, Kleidung, Videoclips, Plakate etc.). Schnell wurde aus der Fakeband eine reale Musikgruppe, die mit großer öffentlicher Resonanz und einen Top 20-Hit Tonträger veröffentlichte und schließlich ihr eigenes Label „Chicks On Speed Records“ gründete. Die erste umfassende Installation der Gruppe Chicks On Speed, in der sie auf ihre Musikkarriere zurückblickte und ihre medialen Strategien zur Stargenerierung überdachte, wurde unter dem Titel „Atelier COS“ im Frühjahr 2004 im Kunstverein Wolfsburg gezeigt. In den letzten Jahren verlegte die Gruppe ihre Aktivitäten wieder verstärkt in die Art World. Im Jahr 2009 zeigte sie ihre erste Solo-Ausstellung in Australien und eröffnete unlängst mit einer multimedialen Performance die Ausstellung „The Making of Art“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt.