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Eintritt frei!

Baby, I love you!

Formen und Formeln der Liebe

29/11/2014–08/02/2015

Künstler*innen

  • Ursula Biemann
  • Thomas Xaver Dachs
  • Annette Hollywood
  • Tommy Kha
  • Leanne Shapton
  • Israel Loves Iran

Kuratiert von Jennifer Bork

Die Ausstellung beleuchtet einen Teilbereich des gesamten Emotionsgefüges, der einerseits als individuell und einzigartig gilt und andererseits wie kaum ein anderer Bereich den gesellschaftlichen Veränderungen unterliegt: Die Liebe.

Folgt man Niklas Luhmanns Betrachtungen in „Liebe als Passion“ (1982) ist Liebe kein Gefühl, sondern ein symbolischer Kommunikationscode, dem eine spezifische Semantik zugrunde liegt. Das Gefühl folgt dem Code, nicht umgekehrt. Wir küssen uns wie im klassischen Hollywoodfilm, wir verwenden Formeln aus Popsongs und empfinden dies als Ausdrucksform unserer individuellen Intimität. Frühere Liebeskonzepte wie die mittelalterliche Minne hatten diesen Anspruch nicht, sie stellten ein gesellschaftliches Spiel des ritualisierten Werbens dar. Ausgangspunkt der Entwicklung eines Konzepts der individualisierten, romantischen Liebe ist das 18. und 19. Jahrhundert. Besonders die Epoche der Empfindsamkeit erhob die unglückliche, unerreichbare Liebe zu einer bestimmten Person sowie das daraus resultierende Leid des Individuums zum Ideal. Die Liebe, die sich oft über gesellschaftliche Zwänge hinwegsetzte, trat zusehends als Indikator der Selbstbestimmung in Erscheinung.

In der Moderne wird diese Verknüpfung von Liebe und Identität als Schlüssel zum persönlichen Glück zentral: Die romantische Liebe wird „kulturelles Ideal“, sie ist von „entscheidende[r] Bedeutung für die Modellierung der eigenen Biographie und die Konstitution des emotionalen Selbst“, schreibt die Soziologin Eva Illouz in „Warum Liebe weh tut“ (2011). Die Veränderungen der Medienlandschaft und die Forderung nach erhöhter Flexibilität in puncto Lebensführung und Identitätskonstruktion sind heute entscheidende Faktoren, die zu einer erneuten Modifizierung des Codes „Liebe“ beitragen. Illouz beschreibt, wie „die Ehe als Werkzeug zum Schmieden von Familienbündnissen“ nach und nach wegfällt und „die neue Rolle der Liebe für die soziale Mobilität kenntlich macht“. Diese Veränderungen gehen nicht zuletzt mit einer Grenzauflösung von privatem und öffentlichem Bereich einher. So werden in der modernen Partnerwahl strategische, ökonomische und emotionale Erwägungen fast selbstverständlich vermengt. Die Unplanbarkeit von Liebe wird damit zunehmend negiert, das Risiko minimiert. Internetpartnerbörsen, wie Elite-Partner.de, bewerben mit Slogans wie „Liebe ist kein Zufall“ die Partnerwahl unter Akademikern anhand algorithmischer Matching-Tests, Facebook fungierte mit der skandalträchtigen App „Bang with Friends“ als Vermittler schneller Sexualkontakte unter „fremden Freunden“ und das www. bietet diverse Möglichkeiten eine sexuell ständig verfügbare Partnerin per Mausklick in Gestalt einer perfekten Silikon-Simulation zu erwerben oder als „Realimport“ aus Asien oder Russland einzufliegen. Marketingexperten machen sich die neue Rolle der Liebe als entscheidendem Faktor zur Selbstkonstitution längst als Verkaufsstrategie zunutze. In „Lovemarks – The Future Beyond Brands“ (Kevin Roberts, 2004) heißt es: „[Lovemarks] berühren dein Herz und deinen Geist, sie schaffen eine intime, emotionale Bindung ohne die du einfach nicht mehr leben kannst. Für immer.“ Die Werke der Ausstellung Baby, I Love You! verweisen auf diese neuen Entwicklungen der Liebe. Sie hinterfragen ihre Formelhaftigkeit und romantische Klischees, sie widmen sich der Selbstdarstellung auf Singleplattformen oder überführen Werbestrategien wieder in einen realen, emotional geprägten Dialog.