Die Fotos der Ausstellung entstanden vor allem nachts. Das nächtliche Fotografieren hat nicht nur eine besondere Intimität, es wirkt für Sam Evans auch so, als würden Objekte, Tiere und Menschen sich nicht mehr beobachtet fühlen. „Die Nächte in Kyoto im tiefsten Sommer hatten eine einzigartige Atmosphäre, ganz anders als alle zuvor erlebten Sommertage. Sie waren genauso lebendig und aktiv wie der Tag selbst, verflochten mit Insekten, schwüler Hitze und einer schweren, warmen Luft. Obwohl mir viele davon abrieten, nachts auszugehen, konnte ich mich der Anziehungskraft nicht entziehen. Jeder Spaziergang in die Nacht war wie das Betreten einer neuen Geschichte.“
Neben dem urbanen Raum Kyoto ist für Evans die Natur als Gegenpol ausschlaggebend. Besonders die Wälder um Nagano und die Gifu Präfektur übten einen besonderen Reiz auf die Künstlerin aus. „ Die Wälder wirken wild, einsam und lebendig. Wenn man durch sie geht, hat man das Gefühl, dass man von den wahren Bewohnern beobachtet wird. Er sieht genauso aus wie das, was ich mir immer für mein Zuhause gewünscht habe.Eine lebendige Masse, Wald und Menschen scheinen sich gegenseitig zu tolerieren. Ich würde gerne in seine Weite laufen und mit ihm verschmelzen.“
Evans beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit der Relation von Körper und Natur, mit Artefakten und Ritualen, wobei Orte eine besonder Bedutungskraft haben. Die Arbeiten in „熱帯夜- Nachtgeflüster“ legen den Fokus dabei vor allem auf Intimität und die Suche nach Heimat, beim gleichzeitigen Auflösen in der Natur und der Dunkelheit der Nacht.
Sam Evans (*1995) hat ihr Studium der Freien Kunst an der HBK Braunschweig 2023 mit Diplom abgeschlossen und ist jetzt Meisterschülerin bei Corinna Schnitt. Während ihres Studiums erhielt sie 2021/22 ein DAAD Stipendium für einen Aufenthalt in Kyoto, der auschhlaggebend für die Ausstellung war. Außerdem war sie Stipendiatin beim Sommercampus der Künstlerstadt Kalbe 2021. Sie nahm bereits an zahlreichen Gruppenausstellungen teil, darunter „Trick #6“ (One Trick Pony, Braunschweig, 2023), „Sign of Impermanence“ (Jinny Street Gallery, Tokyo, JP, 2023) oder „Gibt es den Mond, wenn keiner hinsieht?“ (Thomas Rehbein Galerie, Köln, 2023). Ihre Fotos wurden in diversen Katalogen abgedruckt, darunter „The Annihilation of Space and Time“ (2023, Japan) und „Objekt-Permanenz Objekte“ (Deutschland, 2022).