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Eintritt frei!

Der Wolfsburger Kunstpreis „arti“ feiert dieses Jahr seine zehnte Ausgabe – es ist der Jubiläums-„arti!“!

Für das Jahr 2024 wurde das Thema „verbinden“ gewählt. Zum einen steht es im Zusammenhang mit dem Jahresthema des Kunstvereins „Ent-spalten“, das der Frage nachgeht, wie man der derzeitigen politischen Situation, die häufig als Spaltung der Gesellschaft interpretiert wird, entgegenwirken kann. Zum anderen hat der arti und seine Präsentationsformen nicht nur die Produktion von Werken stimuliert, sondern auch die Kommunikation zwischen Personen der Wolfsburger Kunstszene intensiviert oder sogar erst in Gang gebracht. 

So können die letzten 20 Jahre „arti“ als Erfolgsgeschichte gewertet werden. Mit der Ausstellung der arti-Nominierten wird belegt, dass Wolfsburg nicht nur eine Stadt ist, die mit bedeutenden Ausstellungen im Kunstmuseum, Kunstverein oder in der Städtischen Galerie aufwarten kann, sondern selbst eine lebendige Kunstszene besitzt, die Werke von hoher Qualität und ästhetischer Ausdruckskraft hervorbringt. Neben der Ausstellung selbst wird das durch den zu jeder Ausgabe erscheinenden Katalog, der die präsentierten Künstler*innen und deren Werke vorstellt, unterstrichen. Der arti trägt dazu bei, dass sich das Image von Wolfsburg verändert. Sie ist nicht nur eine wirtschaftliche erfolgreiche Metropole, sondern eine Stadt vielfältiger kultureller Aktivitäten.

Eine Jury stellt aus allen Einreichungen eine Shortlist für die Ausstellung im Kunstverein zusammen, auf deren Grundlage dann am Tag der Eröffnung ein*e Preisträger*in gekürt wird.

Werke für den „arti“ können dieses Jahr am 23.04.2024 von 10-18 Uhr in der  Bürgerwerkstatt im  Schloss Wolfsburg abgegeben werden.

Die Eröffnung findet am 30.05.2024 um 19:00 statt. Und um den Jubiläums-„arti“ gebührend zu feiern, gibt es dazu ein Konzert von Emily Rose – aufstrebende Soulsängerin aus Salzgitter und ffn-Hittip!

In der Ausstellung „Erstaunliche Entwicklungen“ werden evolutionäre Prozesse thematisiert, die die ganze Menschheit betreffen. Jenseits alltäglicher Krisen und Katastrophen scheint es angebracht zu sein, zunehmend einen größeren Blickwinkel einzunehmen und Ereignisse aus einer weiteren Perspektive zu betrachten. So kann es hilfreich sein, sich mit dem Anthropozän als spezifisches Zeitalter des Menschen zu beschäftigen und als evolutionäre Entwicklung zu verfolgen.

Das Jahresthema 2024 des Kunstverein ist „Ent-Spalten“. Die Wortkonstruktion ist aus den Dringlichkeiten der Gegenwart entstanden. Damit ist die Deeskalation von Konflikten und das Entgegenwirken der zunehmenden Polarisierung in unserer Gesellschaft gemeint, einem Phänomen dem wir in zahlreichen Nationen begegnen. Oft gibt es verhärtete Fronten und Konflikte werden in Form von Komplexitätsreduktion ausgetragen. Wichtig dabei ist, diese Spaltung zu reflektieren und sich auf die gemeinsamen Eigenschaften und Probleme des Menschen zu Besinnen. Der Begriff Anthropozän macht deutlich, dass das Leben der Menschen auf der Erde endlich ist und hilft so, einen Schritt zurück zu treten und andere Perspektiven einzunehmen.

Um den besonderen Charakter des Menschen zu erfahren, bieten sich verschiedene Optionen. Man kann sich mit seiner (Wissens-)Geschichte beschäftigen, die Welt als globalen Organismus betrachten, von ihren kleinsten Einheiten ausgehen oder über Vergangenheiten und Zukünfte spekulieren. Alle vier Künstlerinnen der Ausstellung finden dabei ihre eigene Annäherung an den Menschen und seine Geschichten.

Sam Evans geht in der Fotoarbeit „Meine kindlichen Wälder“ und der Videoarbeit  „Zeckensommer“ der Frage nach wie in wie weit die erinnerte Kindheit unser heutiges Selbst prägt, immer auch mit der Gefahr einer nostalgischen Verklärung ungewollter Erinnerungen.  Dabei ist bei beiden Arbeiten die Natur, vor allem der Wald als zentrales Motive, sowohl der imaginiert-fantastisch als auch der reale ihrer Heimat.

Die Serie „Naturkatastrophen“ der Künstlerin Lisa Hoffmann ist der vierte Teil einer umfangreichen Werkgruppe mit dem Titel „Atlas oft the Essence“ die sich mit sozialen und politischen Konflikten, sowie Natur- und Umweltkatstrophen auseinandersetzt. Durch Überlagerung zahlreicher gefundener Fotos eines Ereignisses entstehet ein multiperspektivisches Bild, das zuerst nur als abstrakte Farbflächen erkennbar ist. Bei längerer Betrachtung lassen sich dennoch scheinbar bekannte  Bruchstücke erkennen. Durch den proaktiven Vorgang des Sehens und des Erinnerns entsteht ein Zugang zum dargestellten Ereignis, der über die Kurzlebigkeit regulärer Bilder hinausgeht, wie man sie z.B. auf Social Media findet.

In Julia Oschatz Installation „Dear Cella“ geht die Künstlerin von den kleinsten Einheiten der biologischen Welt aus, den Zellen. Diese werden aus Pappkarton nachgebaut zur Bühne ihrer schwarz/weiß Videos in denen Menschen mit Helmen Funktionen einzelnen Zellbestandteile wie Zellkern oder Chloroplast performen. Dadurch wird in den Videos die poetische Dimension der Zellen und ihrer Lebensenergie deutlich. Ergänzt werden die Videos in der Installation durch Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien.

Tess Robin verbindet in ihrer Arbeit Film, Zeichnung und Sound. In „Reoccurrence“ schickt sie den Betrachter auf eine Zeitreise von der Prähistorie bis in die heutige digitale Welt. Assoziativ verbindet sie unsere Vorstellungen von Zeit und Kosmos mit Erinnerungen aus analogen und digitalen Bildern über Mensch und Natur. Ergänzt wird es durch Zeichnungen von Artefakten oder Fossilien verschiedenster Epochen bis heute, die an Darstellungen aus der Anthropologie erinnern. In diesem multiperspektivischen Trip wird durch die Parallelität verschiedener Wissensformen unser Blick auf die Vergangenheit hinterfragt.

Die Ausstellung „Workers Forum“ der Künstlerin Anna Witt behandelt das Thema „Arbeitsverhältnisse und Optimierungsversuche“ anhand von vier Videoarbeiten aus unterschiedlichen Perspektiven. Zu den Videos zählt auch eine Neuproduktion speziell für den Kunstverein, gemeinsammit Schülern der Klasse FL232 für Fachlagerist*in der Carl Hahn Schule in Wolfsburg. Teile desVideos wurden im Schwimmbecken des ehemaligen Hallenbads und heutigem Kulturzentrum amSchachtweg   (Wolfsburg) gedreht. Die Arbeit „Bücken Heben Einlagern“ entstand aus einem Workshop und anschließendem Videodreh mit den Schüler*innen und untersucht das Zusammenspiel von Mensch und Maschine anhand von Exoskeletten. Diese Apparaturen können Menschen beischweren körperlichen Arbeiten, z.B. in der Automobilindustrie unterstützen. Bereits hier lassen sich zwei wichtige Stränge im Werk von Anna Witt erkennen. Zum einen die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Phänomenen und die Frage, wie diese unsere Zukunft formen könnten. Außerdem das Einbeziehen von Anderen, wodurch neue Situationen und Interaktionen entstehen.

Anna Witt ist so mit ihren Werken auf der Suche nach einem gesellschaftlichen Anderen, nach einer neuen Form des Zusammenarbeitens und Zusammenlebens. Nicht selten sind ihre Aktionen soziale Experimente, in denen Handlungsweisen von Menschen untersucht und erprobt werden. Anna Witt: „Mich interessiert, wie man partizipatorische Prozesse erzeugt; und wie man die Künstlichkeit solcher Situationen überwindet.“ In vielen Arbeiten der Künstlerin scheint sich die Grenze zwischen realem Geschehen und künstlerischer Handlung zu verwischen. Dabei wird immer wieder das Verhältnis von Individuum und Kollektiv reflektiert. Der Wunsch nach Individualität und Selbstoptimierung hat sich in den letzten Jahren verstärkt, was auch in den Arbeiten der Künstlerin sichtbar wird. Als weitere Komponente kommt gleichsam das spätere Publikum ihrer Werke, meist in Form von Videoinstallationen, hinzu, das angesprochen wird, sein eigenes Handeln abzugleichen oder zu hinterfragen.

Neben dem oben bereits erwähnten, neu produzierten, Video werden drei weitere Videos der Künstlerin gezeigt: Unboxing the Future (2019), Sixty Minutes smiling (2014) und BOND (2023). Allen gemeinsam ist die Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt von heute. So wird z.B. in Unboxing the Future ein Gespräch zwischen Fabrikarbeitern bei Toyota in Japan gezeigt. Toyota City, Sitz der Firma, ist – ähnlich wie Wolfsburg – eine von der Automobilindustrie geprägte Stadt. Die Arbeiter sprechen über die Automatisierung vieler Tätigkeiten, die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, aber auch die Frage, was man mit der nicht mehr durch Lohnarbeit strukturierten Zeit tun könnte. Im Verlauf des Videos finden verschiedene Handlungen statt, die performativ die Struktur und Abläufe der Arbeit thematisieren. Gleichzeitig wird ein performatives Ausbrechen erprobt.

Keine Kunstrichtung hat die Normen der Kunst so in Frage gestellt, wie der Dadaismus im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts. Der Zufall oder die Auflösung von Strukturen wurden als kreative Momente erkannt. Hans Richter stellte auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen Gemälde im Dunkeln her, um sich auf seine Intuition zu verlassen. Worte in Gedichten wurden in Laute und Buchstaben aufgelöst. Aber nicht nur der traditionelle Kunstbegriff wurde von Dada in Frage gestellt, sondern auch die Rolle des bildenden Künstlers überhaupt. Wenn etwa Marcel Duchamp industriell produzierte Objekte, Ready-Mades, ausstellt, ist das eine Handlung, die keine handwerklich-künstlerische Kompetenz voraussetzt. Gewohnheiten werden von Dada über Bord geworfen. Unsinn wird zu Sinn. In Digital Dada zeigt der Kunstverein Wolfsburg entsprechend Arbeiten, die Konventionen auflösen und untergraben. Sie wirken nicht nur irritierend und bieten unerwartete Erlebnisse, sondern sind auf diversen Ebenen subversiv.

Im 18. Jahrhundert „verschönerte“ der britische Kunstsammler Henry Blundell eine römische Kopie eines hellenistischen Hermaphroditus (Kind von Hermes und Aphrodite), indem er die Figur kastrierte und damit scheinbar in eine schlafende Venus verwandelte. Mittels 3D-Scan und -Print machte der österreichische Künstler Oliver Laric diese Veränderung rückgängig, um damit eine Aussage gegen das Konstrukt der Heteronormativität zu treffen.

Bei Eunjeong Kim wird das tradierte Medium Malerei zum malerischen Raum. Mit Hilfe von Augmented Reality lösen sich Kompositionselemente scheinbar von der Oberfläche und fangen zu schweben an. Die zweidimensionale Komposition wird zur dreidimensionalen Dekomposition. In einer VR-Installation können sich die Betrachter*innen, untermalt von Klängen, sogar zwischen den Elementen der Komposition bewegen und Teil eines 3D-Gemäldes werden.

Ähnlich wie die koreanische Künstlerin die Malerei hinterfragt Martina Menegon mit Mitteln der Digital Art das Medium Skulptur. Ausgehend von Selbstporträt-Scans produziert die in Wien lebende italienische Künstlerin Martina Menegon digitale Werke, die sie als virtuelle Skulpturen bezeichnet.

In seinem „Google Earth Project“ überlistete der niedersächsische Künstler Bernd Schulz im Jahr 2014 das Programm „Google Earth“, indem er seine „Lichtkunst-Iglus“, die nur durch Langzeitbelichtung als Fotografien existieren, in das Kartensystem von Google als reale Gebäude eintrug. Zwar korrigierte Google Earth die „falschen“ Eintragungen von Schulz‘ virtuellen Architekturen nach einigen Monaten, einige blieben jedoch unentdeckt und existieren bis heute.

 

 

Ein radikales Umdenken gegenüber Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien ist in den letzten Jahren zu beobachten. Es führte u. a. am 17.12.2020 in Frankreich zu einem neuen Gesetz, dass die Rückgabe von Raubgut aus französischen Sammlungen an die Republiken Benin und Senegal ermöglicht. In Frankreich und vor kurzem auch in Deutschland hat der Prozess der Restitution bereits begonnen. Zwanzig Benin-Bronzen brachten Außenministerin Annalena Baerbock und Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth im Dezember 2022 in ihre Heimat Nigeria zurück. Die Restitution ist längst überfällig, aber immerhin folgen erstmals Taten nach einer langen Phase ablehnender oder unverbindlicher Äußerungen. Die beginnende Restitution bildet den Anlass für das Ausstellungsprojekt Coming Home. Das Ende kolonialer Phantasmen.

Die Eröffnung des Humboldt-Forum in Berlin im Jahr 2021, in dem sich das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst befindet, war mit Protesten gegenüber der Aufbewahrung von Raubkunst verbunden und löst bis heute heftige Debatten über den Umgang mit nach Deutschland verfrachteten Kulturgütern aus der Zeit der Kolonialgeschichte aus. Die Raubkunst-Debatte hat das Verhältnis zwischen Europäer*innen und den Werken aus dem globalen Süden grundlegend verändert. Das Ende kolonialer Phantasmen scheint unumkehrbar. Die Rezeption dieser Werke kann nicht mehr ohne den Kontext ihrer Beschaffung betrachtet werden.

Immer mehr bildende Künstler*innen beschäftigen sich inzwischen mit den kolonialen Interessen und der kulturellen Überheblichkeit der europäischen Staaten. Einzelne Aspekte der kolonialen kulturellen Ausbeutung werden in der Ausstellung „Coming home. Das Ende kolonialer Phantasmen“ thematisiert.

Nick Schamborski, Preisträger*in des Bundespreis für Kunststudierende 2021, weist in einem Kurzfilm auf das Kolonialdenkmal in Braunschweig hin, das kommentarlos in der Stadt existiert, obwohl es in den 1920er Jahren errichtet wurde, um für die Wiedererlangung der deutschen Kolonien zu plädieren. Schamborski testet in einem im Tutorial-Stil gedrehten Video vermeintlich eine neue Fotobearbeitungs-App aus, um mögliche Veränderungen an dem Monument vorzunehmen.

Die koreanische Künstlerin Hyejeong Yun beschäftigt sich mit der Kolonialisierungsgeschichte Asiens. Ausgehend von einem gefundenen Foto einer Elefantendressur in London geht sie der Frage nach, wie Elefanten nach Großbritannien kamen. Mit dem daraus entstanden Video entwirft die Künstlerin eine Kolonialgeschichte des British Empire, in der auch die Faszination an „exotischen“ Tieren eine Rolle spielt.

Der nigerianische Künstler Gerald Chukwuma verwendet weggeworfene Dosen und Holzpaneele, die er mosaikartig mit zerschnittenem Metall bearbeitet. „The Gentleman’s Story“ bezieht sich auf eine alte Geschichte aus Nigeria, in der die Einwohner*innen auf ein Schiff verladen und versklavt werden sollten, sich jedoch allesamt für den Freitod auf offenem Meer entschieden. Seine Arbeiten „Oru Oyibo“ und „After“ gehören zur Werkgruppe „Ikwokirikwo“, mit der an eine zeremonielle Tanzperformance der Igbo erinnert wird, die in Nigeria allmählich aus dem Gedächtnis verschwindet.

Der Hamburger Performancekünstler Holger Steen verwendet Briefmarken der früheren deutschen Kolonien, um sich in dem Projekt „Edvin Adlers Kleine Philatelie“ (Performance und Ausstellung) mit den Hintergründen dieser Phase der Ausbeutung, Misshandlung und Ermordung von Menschen in den deutschen Kolonien künstlerisch auseinanderzusetzen.

 

Nachhaltigkeit spielt schon seit Jahren im Bereich der bildenden Kunst eine wichtige Rolle. Mit der Ausstellung „Erneuerbare Medien“ griff der Kunstverein Wolfsburg bereits im Jahr 2020 ein Thema auf, das sich mit erneuerbaren Energiequellen in Zusammenhang mit technischen Medien im Bereich der Kunst beschäftigte. Inzwischen hat sich die Lage in Europa mit dem Krieg in der Ukraine und der damit entstandenen Energiekrise wesentlich verschärft. Gegenwärtig wird zum Energiesparen in Unternehmen und Privathaushalten aufgerufen. Gleichzeitig gilt es, auf die Erhaltung vorhandener Ressourcen zu achten und sie nicht unnötig zu verschwenden. Wenigen ist bewusst, wie knapp Wasser durch den Klimawandel auch in Deutschland geworden ist – und wie wichtig es deshalb ist, Wasser zu sparen. Viele Gemeinden und Städte wie z. B. Frankfurt am Main haben deshalb Initiativen entwickelt und fordern dazu auf, behutsam mit dem kostbarem Gut Trinkwasser umzugehen. Ebenso wichtig erscheint es, auf die Reinhaltung des Wassers zu achten. Insbesondere Kunststoffe belasten die Qualität des Wassers. (Mikro-)Plastikteile verseuchen zunehmend den gesamten Wasservorrat der Erde. Aber auch der Umgang mit Müll oder mit dem, was vermeintlich als Müll angesehen wird, muss sich ändern. Die Möglichkeit des Recycling oder der Reparatur sollte viel mehr in Betracht gezogen und genutzt werden. Phänomene wie Fast Fashion müssen zurückgedrängt werden.

Der Kunstverein Wolfsburg präsentiert in der Ausstellung Saving verschiedene künstlerische Positionen, die unterschiedliche Aspekte der Thematik des Sparens repräsentieren.

Aus Plastikmüll produziert der ghanaische Künstler Rufai Zakari seine Werke, meist Porträts von Personen. Er wäscht und trocknet den gesammelten Plastikmüll, schneidet ihn zu und näht ihn sorgfältig zusammen. Seine Upcycling-Arbeiten sind inzwischen international anerkannte Kunstwerke.

Afrika ist der Kontinent, in den westliche Nationen bevorzugt ihren Müll transportieren. Dieser skandalösen Tatsache hat sich Nana Petzet angenommen, u. a. in dem Projekt „Paralyzed by the Recycling Paradise“ über die Müllverwertung in Addis Abeba in Äthopien. Petzet dokumentierte in Zusammenarbeit mit den äthiopischen Künstler*innen Helen Zeru und Tesfahun Kibro die Recyclingabteilung des „Mercato“, eines großen Markts im Zentrum der Stadt. Sie legte eine Sammlung von mehr als 50 beispielhaften Recyclingobjekten an und erfragte zu jedem erworbenen Gegenstand Provenienz, Herstellungszeit und Funktion. Nana Petzet gilt in Deutschland als die Künstlerin, die sich am intensivsten mit dem Thema Müllverwertung und Kunstproduktion beschäftigt, nicht zuletzt in ihrem langjährigen Projekt „SBF-System“ – SBF steht für Sammeln, Bewahren, Forschen.

Mit weggeworfenem DDR-Mobiliar arbeitete immer wieder die Berliner Künstlerin Inken Reinert. Für den Kunstverein Wolfsburg schuf sie 2010 ein Mehrzweckmobiliar mit Theke, Regale und Sitzmöglichkeiten aus einem DDR-Wandelemente-System. Mit vergleichbaren Möbelelementen wird sie raumbezogen eine neue Installation im Kunstverein Wolfsburg produzieren.

Daniele Lauriola vom Wolfsburger Netzwerk institut für zukünfte setzt sich in seiner Installation für ein Umdenken in unserem Verhalten ein, eines, das weitgehend von ökonomischen Faktoren geprägt ist. Lauriola engagiert sich für nachhaltige Praktiken, die den Klimawandelt aufhalten sollen. Für die Ausstellung im Kunstverein Wolfsburg konzipiert er eine Rauminstallation, die einen Einstieg in die komplexe Thematik von nach haltigem Leben und der Suche nach Strategien „for earthly survival“ bieten und Prozesse der Selbstreflektion anregen möchte.

„Je mehr wir wissen, desto weniger scheinen wir weiter-zu-wissen“

Bernhard von Mutius

Nach Jahren der Zukunftsverheißungen ist Ernüchterung eingetreten, nicht zuletzt durch eine pandemische Entwicklung, die fast niemand vorhersah. Trotz neuer Kommunikationsstrukturen und Informationstechnologien sind wir augenscheinlicher nicht intelligenter geworden. Im Gegenteil, wir scheinen auf verschiedene Katastrophen zu zu rasen und es ist uns nicht gelungen, die Welt solidarischer und friedfertiger zu machen. Die Kunst kann unserer Meinung nach helfen, gesellschaftliche Prozesse in neue Bahnen zu lenken. Sie ist in der Lage, unabhängig von vorhandenen ökonomischen Grundstrukturen innovative Ideen zu entwickeln und Verbindungen herzustellen.

Die bildende Kunst liefert – und das ist eine ihrer wichtigen Aufgaben – nicht selten die Vorstellung von einer nahen und fernen Zukunft. Sie vermittelt Visionen, die sich im Unterschied zur Science Fiction nicht auf technische Entwicklungen konzentrieren, sondern vielfältiger und umfassender konstituiert sind. Meist wird es dabei den Rezipient*innen überlassen, ob diese Darstellungen der Zukunft als Utopien oder Dystopien zu betrachten sind.

Der deutsche Philosoph Ernst Bloch schreibt in seinem Aufsatz „Geist der Utopie“ (1973) der Kunst die Fähigkeit eines produktiven Ahnens zu und unterscheidet sie damit von anderen Formen des Voraussehens: „Und auch die Phantasievor-stellungen sind hier nicht solche, die sich aus Vorhandenem lediglich zusammensetzen, […] sondern die Vorhandenes in die zukünftigen Möglichkeiten seines Andersseins, Besserseins antizipierend fortsetzen. Wonach sich die so bestimmte Phantasie der utopischen Funktion von bloßer Phantasterei eben dadurch unterscheidet, dass nur erstere ein Noch-Nicht-Sein erwartbarer Art für sich hat, das heißt, nicht in einem Leer-Möglichen herumspielt und abirrt, sondern ein Real-Mögliches psychisch vorausnimmt.“ Die Werke der Ausstellung „voraussehen“ schwelgen nicht in Spekulationen und irren nicht in Phantastereien ab, vor denen Ernst Bloch warnt, sondern weisen mit den Mitteln der bildenden Kunst auf mögliche Zukünfte hin, erforschen, wie sich gegenwärtige Phänomene weiterentwickeln und damit neue urbane Landschaften und soziale Situationen entstehen könnten. Sie bieten Ausblicke in eine veränderte Welt, in der sich Menschen in vielleicht nur wenigen Jahren zurechtfinden müssen. Diese Werke sind dabei nicht an Ideologien gebunden, sie sind in ihrem Kern offen: Auch in der Überlegung, ob die Zukunft eine Verbesserung oder Verschönerung oder aber eine negative Entwicklung mit sich bringen wird.

In diesem Spannungsfeld verortet sich „voraussehen“: Die internationale Gruppenausstellung versammelt Positionen, welche mit künstlerischen Mitteln Voraussagen in verschiedenen Bereichen wie Urbanistik, Klima oder Mobilität treffen. Die vier Künstler*innen liefern dabei keine auf Messungen basierende Prognosen, sondern erzeugen immersive Atmosphären der Zukunft. Es geht ihnen in erster Linie um eine emotionale Vermittlungen futuristischer Situationen.

Die koreanische Künstlerin Yeojin Song präsentiert in ihrem Animationsfilm „The City“ die Metropole der Zukunft als Wucherung von monotonen Hochhausbauten, die sich immer mehr auszubreiten scheinen. Ani Schulze führt uns in eine Welt zwischen Science Fiction und Rückfall in archaische Zeiten. Auf eindrucksvolle Weise bringt sie strukturelle gesellschaftliche Flexibilität und dystopische Momente in den unterschiedlichsten Medien zusammen. Mit skulpturalen Gebilden und Projektionen lässt uns Yoni Hong futuristische Stadtlandschaften erleben. Nike Kühn bezieht sich mit ihrer Installation „Safe House“ auf die Praxis und Gedankenwelt der Prepper, die für eine kommende Katastrophe vorbereitet sein wollen.

Die von Tamiko Thiel geschaffenen digitalen Welten sind nicht nur verspielte, fantastische Landschaften, sondern finden ihren Ursprung in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlich wichtigen Themen; als Reaktion auf historische politische Ereignisse oder auf kritische ökologische Entwicklungen. Die Aspekte der Interaktion oder Partizipation werden zu Recht als zentrale Potentiale programmierter Kunstwerke angesehen, gleichzeitig bieten die digitalen Technologien die Möglichkeit, den weiblichen Körper neu zu interpretieren oder über grundlegende Prozesse der menschlichen Existenz zu reflektieren.

Theoretisch und politisch unterstützt von der aufkeimenden Bewegung des Cyberfeminismus und selbst mit einem technischen Hintergrund – einem B.S. in Product Design Engineering in Stanford (1979) und einem M.S. in Mechanical Engineering am M.I.T. (1983) – wandte sich Tamiko Thiel 1991 nach Abschluss ihres Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in München der Medienkunst zu.

In ihrer retrospektiven Einzelausstellung Diverse Realities im Kunstverein Wolfsburg versammelt die amerikanische Künstlerin japanisch-deutscher Abstammung nun Werke aus allen Jahrzehnten ihrer künstlerischen Laufbahn, von ihrer ersten Videoarbeit 1991 bis hin zu ihren jüngsten Virtual-Reality-Arbeiten, darunter auch einige größere Produktionen, die in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen entstanden sind.
Mit Arbeiten wie „Lend Me Your Face!“ (2020, mit /p), „Unexpected Growth“ (2018, mit /p) oder „Virtuelle Mauer/ReConstructing the Wall“ (2008, T+T – Tamiko Thiel und Teresa Reuter) zählt Thiel heute zu den herausragendsten zeitgenössischen Künstler*innen, die gesellschaftsrelevante Themen mit innovativen Formen der digitalen Kunst verbinden.

Die Ausstellung Diverse Realities findet als Kooperationsprojekt und im Kontext der globalen Überblicks-Schau Empowerment des Kunstmuseum Wolfsburg statt.

Endlich ist wieder Zeit für den arti! Alle zwei Jahre vergibt der Kunstverein Wolfsburg den hauseigenen Kunstpreis an Künstler*innen, deren Lebensmittelpunkt und Wohnsitz in Wolfsburg liegt. 2022 liegt der Fokus des Kunstve

reins im Zuge seines traditionellen Jahresthemas auf der künstlerischen Auseinandersetzung mit Relevanz – Endlich relevant! lautet es, nicht ganz ohne Seitenblick auf die anhaltende Pandemie und die Verluste und Erfahrungen, die wir aus dieser Zeit ziehen (werden). Wie auch die letzten Male knüpft das Wettbewerbsthema inhaltlich an das Programm an und trägt in diesem Jahr den Titel sichtbar machen. In gewisser Weise begegnen wir auch in einer Pandemie der Begrenztheit des Sehens. Wir können beispielsweise mit bloßem Auge keine Viren erkennen. Die Kunst muss jedoch nicht abbilden, was mit den Augen wahrgenommen wurde. Sie kann uns aber dazu bringen, Dinge neu und anders zu betrachten. Etwas, was den Menschen emotional bewegt und gedanklich beschäftigt, kann in künstlerischen Arbeiten sichtbar gemacht werden. Wie immer kann das Thema des arti völlig frei interpretiert werden. Um am Wettbewerb teilzunehmen, müssen die Teilnehmer*innen nicht Kunst studiert haben: Einzig ihr Lebensmittelpunkt und Wohnsitz muss in Wolfsburg liegen.

Die Ausstellung im Kunstverein Wolfsburg zeigt die Arbeiten der Nominierten, die zuvor von einer überregionalen Jury aus allen Einreichungen ausgewählt wurden. In diesem Jahr bestand die Jury aus Barbara Hofmann–Johnson (Leiterin des Museum für Photographie Braunschweig) Sina Heffner (Künstlerin und Dozentin, Braunschweig) Rui Zhang (Künstlerin, Hannover) Aline Hernandéz (Kuratorin, Mexico City, Curator in Residence, niki hannover) und Dr. Justin Hoffmann (Leiter des Kunstverein Wolfsburg). Im Zuge der feierlichen Eröffnung mit Preisverleihung wurden die drei Gewinner*innen des Wettbewerbs gekürt. Wir gratulieren Anita Marijana Bajic (1.Preis), Jörg Hennings (Zweitplatzierter) und Daniele Lauriola (3.Preis) ganz herzlich.

Ausstellungsbegleitend erscheint ein Katalog.

 

 

In Experimenten und Testungen operiert man in Systemen, die auch für ein Scheitern offen sind. Dieses Zulassen von Scheitern bietet die Möglichkeit Neues, noch Unbekanntes zu entdecken und somit über das Tradierte und Konventionelle hinauszugehen. Die Option des Scheiterns bedeutet also letztlich nicht nur ein Versagen, einen Rückschritt in Visionen und Praktiken, sondern enthält als experimentelle Anordnung unbedingt auch die Chance des Fortschritts. Hans-Jörg Rheinberger widmet sich in seinem kürzlich erschienenen Buch „Spalt und Fuge. Eine Phänomenologie des Experiments“ der wissenschaftlichen Methode des Experimentierens: „Umso erstaunlicher ist es, dass sich Philosophie und Geschichte der Wissenschaften mit der unglaublichen Vielgestaltigkeit des Experimentierens kaum auseinandergesetzt haben.“ Das Gleiche gilt sicherlich auch für das Experimentieren und Forschen in der bildenden Kunst, das nicht zuletzt auf Leonardo da Vinci als prominenten Vertreter zurückzuführen ist. Künstler*innen und naturwissenschaftliche Forscher*innen verbindet die Neugier und eine besondere Form der Kreativität.

Eine Wissensproduktion unabhängig des hegemonialen anerkannten Wissens ist eine Intention, die allen Künstler*innen der Ausstellung „Kunst forscht“ gemeinsam ist und deren Titel eine Referenz auf „Jugend forscht“, dem bekannte Schüler- und Jugendwettbewerb im Bereich Naturwissenschaften, bildet. Die israelische Künstlerin Liat Grayver bedient sich beispielsweise in der Herstellung ihrer Gemälde und Zeichnungen der intensiven Korrespondenz mit Robotern. Mit den Transformationsmöglichkeiten der menschlichen Stimme experimentiert die Berliner Künstlerin und Musikerin Katharina Hauke. Sie entwickelt dazu eine Apparatur, die sie als MikroKontrolleur bezeichnet. Mit physikalischen Phänomenen verschiedener Art beschäftigt sich der Chemnitzer Künstler Martin Lucas Schulze. Dabei entsteht, wie er formuliert, eine alternative Wissensproduktion, in der er unter anderem Funktionsstrukturen von Verfallsprozessen sichtbar machen möchte. Aus der systematischen Beobachtung von klimatischen Veränderungen gewinnt der Schweizer Künstler Marcus Maeder seine künstlerischen Arbeiten, die sich in der Regel als multimediale Installationen realisieren.