Wie paranoid müssen wir heutzutage sein?
Existiert ein Masterplan bestimmter Gruppen, der uns machtpolitisch lenkt?
Das Thema Verschwörung erlebt aktuell in der Gesellschaft eine Hochphase, besonders die in letzter Zeit offenbar gewordenen Überwachungsmethoden von Geheimdiensten lassen zuvor paranoid erschienenes Verhalten zusehends notwendig werden. Was wir aus dystopischen Romanen wie 1984 kennen, hat sich in den letzten Jahren zu faktischen Vorgängen manifestiert und verändert unsere Gesellschaft nach und nach. Abhör-, Überwachungs- und Datenklau-Skandale machen uns zusehends bewusst, dass heutige technische Möglichkeiten auch einen fruchtbaren Nährboden für konspirative Machenschaften und geheime Manipulationen darstellen.
Durch geleakte Informationen ist unser Wissen um solche Vorgänge zwar höher als je zuvor, doch fühlen wir uns zusehends ohnmächtiger. Die Gewissheit darüber, dass die wichtigen Entscheidungen gar nicht mehr auf dem Feld getroffen werden, das wir überblicken und eventuell politisch beeinflussen können, lässt ein Machtvakuum entstehen, das zu einer zunehmenden Resignation führt.
In dieser Machtkrise holen sich Verschwörungstheoretiker ein Stück Macht zurück, eine Macht, die eng an den Begriff des Wissens gekoppelt ist, das zumeist ein geheimes Wissen ist. Der Verschwörungstheoretiker etabliert seine Wahrheit und gibt damit vor als einziger die Vorgänge zu durchschauen. Die jüngere Geschichte ist voll von Fällen, in denen das simplifizierende, angsterzeugende Weltbild von Verschwörungstheoretikern machtpolitisch missbraucht und zur gezielten Manipulation eingesetzt wird. Unabhängig davon, ob wir den Inhalt von verschwörungstheoretischen Ansätzen wie sie sich bei Pegida, der Reichsbürgerbewegung oder 9/11 darstellen, glauben oder nicht: Sie stellen uns sozialethische Fragen zum Umgang mit Macht in unserer Gesellschaft. Zum Teil befriedigen sie in einer immer komplexer werdenden Gegenwart unser Bedürfnis nach Antworten mit einfachen Erklärungsmustern und lassen durch ihre Scheinlogik eindeutige Feindbildzuordnungen zu. Neben politischen und sozialen Auswirkungen bergen sie aber auch eine konkrete Gefahr für das Individuum. Die Konspiration kann zur Obsession werden, bei der sämtliche Wahrnehmung der vermuteten Verschwörung untergeordnet wird und damit die Grenze einer psychopathologischen Störung überschreitet.
Sich in Bezug auf Verschwörungstheorien eindeutig zu positionieren ist schwierig. Dies will die Ausstellung auch nicht, die der Beitrag des Kunstverein Wolfsburg zum Wolfsburger Science & Art Festival Phaenomenale (17.9.–27.9.2015) ist, welches 2015 unter dem Thema „Das Geheimnis“ stattfindet. Die gezeigten künstlerischen Arbeiten spüren den Strukturen und der Faszination von Verschwörungstheorien nach und hinterfragen unsere Konstruktion von Wirklichkeit. Der Titel Operation Mindfuck bezieht sich auf eine Praxis aus dem Diskordianismus, einer „Religion“ mit dadaistischen Zügen, die aus der Illuminatus!-Trilogie stammt und das Chaos als revolutionäre Strategie glorifiziert.