Immer wieder treffen wir in der Kunstgeschichte der letzten hundert Jahre auf das erstaunliche Bemühen, sich als Künstler der Perfektion einer Maschine anzunähern. Berühmt wurde der Ausspruch Andy Warhols „I want to be a machine“. Der objektivierende Gestus der Maschine wurde von zahlreichen Künstlern gesucht, das Gerät als Vermittlungsinstanz umworben. Das Zeichnen mit einer Maschine könnte man aber auch als delegierten Genuss im Sinn von Interpassivität (Robert Pfaller, Slavoj Zizek) interpretieren. Aber warum sollte man auf den Genuss des Zeichnens, dieser intimsten Form künstlerischer Produktion verzichten wollen? Nach Pfaller/Zizek versucht man damit einem gewissen Zwang des Genießens, insbesondere dem Druck nach individueller Gestaltung, der auf dem Künstler lastet, zu entfliehen. Dieser Zusammenhang ist den Akteuren nicht unbedingt bewusst. Öffentlich angezeigt wird dagegen das Interesse, sich den Herausforderungen des Industrie- bzw. Computerzeitalters zu stellen und deswegen auf tradierte künstlerische Produktionsformen zu verzichten
Heinrich Heidersberger wird im Jahr 2006 hundert Jahre alt. Zu diesem besonderen Geburtstag werden mehrere Ausstellungen mit Werken dieses bedeutenden Wolfsburger Fotografen und Künstlers gezeigt. Im Rahmen des Projekts „heidersberger 100“ initiiert vom Institut Heidersberger im Schloß Wolfsburg zeigt der Kunstverein Wolfsburg die Werkgruppe der Rhythmogramme. Diese abstrakten Fotografien von zeichnerischem Charakter wurden zum ersten Mal im Jahr 1955 hergestellt. Sie basieren auf mehreren sich überlagernden Sinusschwingungen, deren ästhetische Möglichkeiten Heidersberger erkannte. Er konstruierte für diese Lichtzeichnungen eine eigene Maschine, den Rhythmographen. Mittels dieser Apparatur mit vier Pendeln und einem Spiegel erzeugte er Lichtspurbilder mit dreidimensionale Wirkung. Heinrich Heidersberger Rhythmogramme wurden mehrfach ausgezeichnet. Das von ihm entworfene Sendezeichen des Südwestfunks Baden-Baden war von 1956 bis 1968 in Verwendung.
Da die Heidersberger Rhythmogramme nicht nur eine deutliche Nähe zur abstrakten Fotografie sondern auch zur Computergrafik der 60er Jahre besitzen, möchten wir die ästhetischen Absichten Heidersbergers mit frühen Formen der Computergraphik in Verbindung setzen, denen nach unserer Ansicht heute wieder eine größere Aufmerksamkeit zukommen sollte. Aber auch Bezüge zu anderen Künstlern jener Epoche, die Formen des mechanischen Zeichnens entwickelten, werden hergestellt. Darunter nimmt Jean Tinguely mit seinen Zeichenmaschinen um 1960 eine vorrangige Stellung ein.