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Eintritt frei!

Lars Andreas, Tovey Kristiansen

The Art Of Speculation

26/02–02/05/2010

Künstler*innen

  • Samantha Rees
  • Max Müller
  • Lars-Andreas Tovey Kristiansen
  • Linda Weiss
  • John Pilson
  • Jekaterina Anzupowa
  • Hubert Blanz
  • Harun Farocki

Kuratiert von Justin Hoffmann

Die Ausstellung „The Art Of Speculation“ thematisiert die verschiedenen Bedeutungsebenen des Begriffs der Spekulation. Der Titel ist dem gleichnamigen Buch von Philip Carret aus dem Jahr 1930, das als Ökonomie-Klassiker gilt, entlehnt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit Spekulation eine Vermutung, eine Annahme, eine ungesicherte Mutmaßung über etwas bezeichnet. Hier kommen sich Spekulation und Fiktion sowie Imagination nahe. In den Naturwissenschaften und in der Philosophie wird anstatt Spekulation oftmals der Begriff der Hypothese verwendet. Hier handelt es sich um Vermutungen jenseits des Empirischen. Es werden Fragen aufgeworfen, die einer rationalen Grundlage entbehren. In der Wirtschaft werden mit Spekulationen kurzfristige Investitionen bezeichnet, die ein höheres Risiko bedeuten aber auch höhere Renditen versprechen. Gerade letztere sind durch die ökonomischen und politischen Vorgänge der letzten Jahre in Misskredit geraten.

Die Spekulationen an der Börse haben die Welt in eine Katastrophe, in die größte Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren geführt. Die Tatsache, dass unsichere Anlageformen und waghalsige Spekulationen an der Börse solche gesellschaftliche Effekte erzielen können, die sogar unser derzeitiges ökonomisches System in Frage stellen, bildet für den Kunstverein Wolfsburg 2010 den Anlass, grundsätzlicher über Spekulationen zu reflektieren und in einer internationalen Gruppenausstellung Künstler zu präsentieren, die sich mit den verschiedenen Ebenen des Spekulativen, Imaginären und Fiktiven beschäftigen. Dabei haben Spekulationen heute nicht nur im Wirtschaftssektor sondern auch in anderen gesellschaftlichen Feldern eine zentrale Bedeutung. Ein Großteil der Forschungsgelder der Naturwissenschaften werden oftmals auf der Grundlage von weitgehend Spekulationen vergeben, insbesondere in der Bio- und Gentechnologie, wenn es um die Optimierung des menschlichen Lebens geht. Auch diejenigen, die vor Klimawandel und Naturkatastrophen warnten, sahen sich lange Zeit des Vorwurfs des Spekulativen ausgesetzt.

Spekulationen in Form von Utopien sind durch die ökonomischen und humanitären Katastrophen, die sie evozierten, insbesondere wenn sie politisches Programm wurden, in Verruf geraten. Trotzdem gibt es für bildende Künstler keinen Grund, auf die Äußerungen von Wünschen und Sehnsüchten gänzlich zu verzichten. Denn Begehren und Träume bleiben ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Existenz. Fiktionen sind weiterhin notwendig für Forschung und Wissenschaft, oder wie Charles Darwin es formulierte: Ohne Spekulation gibt es keine neue Beobachtung. Gesellschaftliche Prozesse können wie bisher durch öffentlich geäußerte Erwartungen an die Zukunft, durch Prognosen, mit gesteuert werden. So macht die Visualisierung und Interpretation von künftigen sozialen Entwicklungen durch Künstler durchaus Sinn und ist von sozialer Relevanz. Für bildende Künstler waren futuristische Imaginationen stets ein wesentliches Thema. Für Philosophen wie Ernst Bloch oder Jacques Rancière gehört es zu den zentralen Aufgaben von Kunst und Kultur, Dispositionen für die Zukunft zu entwerfen. So schreibt Rancière in „Ist Kunst widerständig?“: „Der Künstler (…) arbeitet ‚mit Blick’ auf ein Volk das ‚noch fehlt’“. In welche Richtung das Kommende zu interpretieren ist, wird damit noch nicht ausgesagt. Die Visionen des Möglichen können dem Rezipienten sowohl hoffnungsvoll als Utopien oder negativ als Dystopien erscheinen.