Leben und Tod werden heute in Elektronenmikroskopen verhandelt, und die Ergebnisse dieser Untersuchungen mit dem heutigen Potenzial von Grafik- und Animationsprogrammen visualisiert. Die Mikro- und Nanoebenen besitzen ihre eigenen von Computern gesteuerten Bildsprachen. Diese liefern Modelle um Prozesse, die im Inneren der Körper ablaufen, zu veranschaulichen. Der medizinische Blick geht unter die Haut. Die Hautoberfläche erscheint in diesem Zusammenhang als nur eine von mehreren Repräsentationsmöglichkeiten von Lebewesen. Die Sehapparate der bildgebenden, medizinischen Diagnostik machen verborgene Bestandteile in Echtzeit sichtbar und geben uns neue Einblicke in die menschliche Existenz. Künstliche Intelligenz wird die Diagnostik von Krankheiten, insbesondere in der Auswertung medizinischer Bildaufnahmen, deutlich verbessern. Operationen werden von Ärzten heute in der Regel computerunterstützt durchgeführt. Digitalisierung und KI haben die Medizin voll erfasst.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass Bilder der Wissenschaft zum festen Bestandteil der Alltagskultur geworden sind. Jeder Mensch weiß inzwischen, wie ein Virus aussieht. Das Covid 19-Virus wurde zum einem Internet-Meme, das in unendlich vielen Varianten auftaucht und bearbeitet wurde. In seiner Bildpraxis bedient sich die Naturwissenschaft besonderer Darstellungsformen und Technologien (MRT, Röntgenstrahlen etc.). Der Arzt von heute führt seine professionellen Handlungen häufig in Kombination von Screens und virtuellen Bildern durch, gerade auch bei Operationen am menschlichen Körper. Zudem hat die Zahl der Berichte über wissenschaftliche Erkenntnisse in den Informationskanälen immens zugenommen. Virologen avancierten mit Hilfe der Medien zu populären Persönlichkeiten, die politische Entscheidungen und damit unsere Alltagspraxis stark beeinflussen.
Auch Künstler*innen greifen vermehrt Motive der wissenschaftlichen Bildwelt auf. Die Resultate der Sehapparate bzw. die Fotos, Grafiken und Modelle, die sie produzieren, faszinieren Künstler*innen und werden Teil ihrer ästhetischen Praxis. Verbindungen zwischen naturwissenschaftlicher Forschung und bildender Kunst werden hergestellt.
Mit Aspekten der medizinischen Forschung vom menschlichen Individuum beschäftigt sich die Berliner Künstlerin Theresa Schubert und hinterfragt dabei die Fleischindustrie, ja die Grenze von Tier und Mensch. Die Koreanerin Sabina Hyoju-Ahn gewinnt akustische Signale aus Biomaterial und transformiert diese in eine sphärische Sound-Installation. Der Blick unter die Haut von Tieren kennzeichnet die Werke von Anna Miethe und mündet in Animationsfilme und Fotografien. Netzartige Strukturen, die an naturwissenschaftliche Bilder von DNA-Strängen, Synapsen oder MRT-Bilder erinnern, bilden die Grundlage der künstlerischen Praxis von Anna-Maria Meyer, die in den verschiedensten Medien arbeitet.