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Wir beobachten in der derzeitigen Phase der Digitalisierung zwei gegenläufige Tendenzen, einerseits den Wunsch nach neuen Freiheiten und Räumen, andererseits eine Verfestigung von Strukturen und Maßnahmen der Begrenzung und Regulierung. Dabei nehmen wir eine Diskrepanz zwischen der Ebene des Begehrens und der Hoffnungen und der Praxis der ökonomischen und politischen Machtausübung im virtuellen Räumen wahr – eine Diskrepanz, auf die wir aufmerksam machen und die wir in Projekten thematisieren wollen.

Schon seit ihren Anfängen verknüpfen wir mit der digitalen Kultur utopische Ideen und Wünsche der unterschiedlichsten Art. Viele verbinden bis heute damit neue Freiheiten und Erfahrungen, die ihr Leben bereichern sollen. Eine Gruppe von Autor*innen, Künstler*innen, Hacker*innen und Unternehmer*innen kreierten in den USA am Ende des 20. Jahrhunderts die sogenannte „Kalifornische Ideologie“. Ein Begriff, der für die Entgrenzung von Daten steht und für ein heterogenes Informationszeitalter mit globaler Reichweite, aber auch für neue Produktionsformen und ein umgestaltetes Finanzwesen. Verschiedene emanzipatorische Bewegungen verbanden mit dem Computer die Hoffnung, dass sich mit diesem Hypermedium neue Möglichkeiten der Repräsentation, der Vernetzung und des Informationsaustausches ergeben. Das Internet wurde schon wegen seiner Netzstruktur im Verhältnis zur hierarchisch aufgebauten Baumstruktur als fortschrittlich gesehen und mit dem Rhizom-Begriff von Deleuze/Guattari in Verbindung gebracht.

Neuere Entwicklungen versuchen jedoch dem Drang zur Expansion und Entgrenzung entgegenzutreten, nicht zuletzt um Fehlentwicklungen zu korrigieren und dem unkontrollierten Machtzuwachs weniger Internetdienstleistungskonzerne Einhalt zu gebieten. Durch verschiedene Gesetze wie die EU-Datenschutz-Grundverordnung sollen die Möglichkeiten der Internetnutzung beschränkt werden. Sicherheitsbedenken werden häufig als Grund für Regulierung auf nationaler oder internationaler Ebene angegeben, manchmal aber auch nur vorgeschützt, um gerade in Nicht-Demokratien die freie Meinungsäußerung zu unterbinden.

In der politischen Debatte in Deutschland gewinnt das Thema der Digitalisierung ein immer stärkeres Gewicht. Gerade erst hat die Bundesregierung einen mit Experten besetzten Digitalrat initialisiert. Die einzelnen politischen Parteien streiten heftig um die Kompetenz in dieser Frage und über die Mittel der Umsetzung dieses Prozesses. Es ist ein Wettbewerb zwischen Regionen und Städte entstanden, um mit der Verbesserung der digitalen Infrastruktur einen Standortvorteil zu gewinnen. Insbesondere Wolfsburg will eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung spielen. Im Dezember 2016 unterzeichneten Volkswagen und die Stadt Wolfsburg das Memorandum of Understanding „#WolfsburgDigital“ mit dem Ziel, Wolfsburg zur digitalen Großstadt auszubauen. Für den Kunstverein Wolfsburg Anlass genug, sich intensiv mit dieser Entwicklung auseinanderzusetzen.

Wenn von Digitalisierung die Rede ist, werden häufig wirtschaftliche Aspekte ins Zentrum gestellt. Dabei werden ästhetische und emotionale Aspekte der Digitalisierung kaum berücksichtigt. Der Kunstverein Wolfsburg will in seinem Programm 2019 dagegen die kulturelle Bedeutung des gesellschaftlichen Prozesses der Digitalisierung herausstellen und somit ein Gegengewicht zum ökonomischen Tunnelblick mancher Politiker schaffen. Künstler*innen können nach unserer Meinung mit ihren Manifestationen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Digitalisierung liefern, aber auch Fehlentwicklungen kommentieren oder Defizite aufzeigen.

Das Ausstellungprogramm des Kunstverein Wolfsburg will verschiedene Aspekte der Digitalisierung beleuchten, die insbesondere bildende Künstler beschäftigen. Dabei handelt es um Aspekte, die wir für besonders relevant erachten. Einige Projekte setzten sich mit dem Gebrauch und der Wirkung sozialer Medien auseinander, andere zeigen Möglichkeiten auf, Fehlentwicklungen entgegen zu wirken. Das Programm 2019 beginnt mit der Ausstellung spiritual * digital, welche die spirituellen Möglichkeiten der Digitalisierung untersucht und dabei utopische-transzendente Potenziale neuer Technologien auslotet. Das folgende Projekt Ich sehe was, was du noch nicht siehst beschäftigt sich mit der zunehmenden Zukunftsbestimmung durch prädiktive Algorithmen. Eine Entwicklung, die sowohl utopisch als auch dystopisch interpretiert werden kann. Dass die digitalisierte Welt neue Identitätsbilder erzeugt, diesem Phänomen geht die Ausstellung Snap Your Identity nach, in der auch die Darstellungsweisen und intervenierenden Funktionen neuer Sicherheitstechnologien berücksichtigt werden. Die Ausstellung V für Verantwortung widmet sich den kaum fassbaren Machtstrukturen des Internets, und wie man sich mit künstlerisch-aktivistischen Mitteln dagegen wehren kann.